Wie viele Straßen braucht das Land? Jetzt Stellung nehmen!

Aktuelle Projektmeldung Nordrhein-Westfalens zum Bundesverkehrswegeplan 2015

Naturzerstörung durch Straßenbau

Die Arbeiten zum Bundesverkehrswegeplan 2015 (BVWP) laufen bundesweit. Die Länder sind aufgefordert, ihre Verkehrskonzepte für den Fernverkehr, konkret die aus ihrer Sicht erforderlichen Straßenbauprojekte zum Ausbau des Straßennetzes für den BVWP zu „melden“. Der BVWP ist eine politische Absichtserklärung des Bundes in der Form eines Investitionsrahmenplans für den Neu- und Ausbau von Bundesfernstraßen (Autobahnen und Bundesstraßen). Da der BVWP als Entwurf für die Bedarfsplanung dient, setzt er Vorgaben sowohl für die Linienbestimmung UVP-pflichtiger Straßenbauvorhaben, als auch für deren nachfolgende Planfeststellung. Er kann deshalb als höchste Stufe in der Hierarchie der Bundesfernstraßenplanung betrachtet werden.

Für den BVWP 2015 hat das Land NRW dem Bundesverkehrsministerium eine Liste von 279 Straßenbauprojekten vorgelegt - 72 neue Vorhaben sowie 206 Vorhaben, die bereits im BVWP 2003 enthalten sind.

» BVWP 2015: NRW-Projektmeldung für Straßen, Stand 26. September 2013

Grundlage der Liste sind die in den Regionalräten Arnsberg, Detmold, Düsseldorf, Köln und Münster sowie der Verbandsversammlung des Regionalverbands Ruhr (RVR) beschlossenen Vorhabenlisten. Nur in diesen Gremien erfolgte eine Diskussion der Straßenbauprojekte, auf eine Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit und der Naturschutzverbände hat das Verkehrsministerium NRW verzichtet!

Insgesamt lässt die aktuelle Meldeliste die verkehrs- und klimapolitische erforderliche „Verkehrswende“ in NRW vermissen; dies verdeutlicht auch der in Berlin angemeldete massive Ausbau des Netzes der Bundesautobahnen auf bis zu acht Fahrspuren. Dabei geht die Meldung bei den Bundesautobahnen noch weit über die Anmeldungen aus den Regionen hinaus. Die Autobahnen in NRW sollen danach insgesamt auf einer Länge von circa 670 km von vier auf sechs Fahrspuren und für circa 230 km von sechs auf acht Fahrspuren ausgebaut werden.

NRW gibt Priorisierung aus der Hand

Die Landesregierung hat die „Wunschlisten“ der Regionalräte und der RVR-Verbandsversammlung größtenteils in die Meldeliste an das Bundesverkehrsministerium übernommen, ohne die eigenen Prioritäten zu berücksichtigen. Dies verwundert, da die Landesregierung im Jahr 2011 eine Priorisierung der anstehenden Bundesfernstraßenprojekte vorgenommen hat. Die Priorisierung erfolgte angesichts immer knapper werdender Finanzmittel für den Straßenbau und der Einsicht, die zur Verfügung stehenden Finanzmittel vom Neubau in den Erhalt des bestehenden Straßennetzes umzuschichten. So wurden die Projekte des BVWP 2003 den Kategorien „vorrangig planen“, „nach Abschluss der Planungsstufe nachrangig planen“, „nach Abschluss der Planungsstufe Priorität entscheiden“ zugeordnet.

Es wäre zu erwarten gewesen, dass zumindest die Vorhaben der Kategorie der „nachrangig zu planenden Projekte“ nicht in die Meldeliste aufgenommen werden. Dem ist aber nicht so, insgesamt 23 „nachrangige“ Projekte wurden gemeldet. Von den Projekten, über deren Priorität nach „Abschluss der Planungsstufe“ entschieden werden soll, finden sich immerhin 18 Maßnahmen in der Meldeliste. Anstatt im Rahmen der Meldung die Priorisierungsliste konsequent umzusetzen, wird die Entscheidung über „Prioritäten“ dem Bund überlassen!

Projektanmeldung konkret: Sonderfall Projektalternativen

In der aktuellen Meldung aus NRW werden erstmals für vier umstrittene Projekte Alternativen als „eigenständige“ Projekte zur Prüfung angemeldet. Dabei handelt es sich um Tunnelvarianten für die B 239 Herford – Kirchlengern, die B 484 Ortsumgehung (OU) Overath und die B 508 Ortsumgehung Kreuztal sowie um eine Vorhabenalternative im bestehenden Straßennetz für die A 46 (Netzlösung). Über Angaben in Fußnoten wird u.a. für die A 1 die Option einer Netzlösung unter Nutzung der B 51 offen gehalten; für zwei Ortsumgehungen im Zuge der B 66 / Kreis Lippe werden alternative Lösungen durch Ausbau statt Neubau angestrebt sowie die Realisierung von der Akzeptanz vor Ort abhängig gemacht (B 66, B 239, beide Kreis Lippe).

Projektmeldung trotz Bewertung als ökologisch risikoreich

Bereits mit der Aufstellung des BVWP 2003 erhielten Projekte mit erheblichen ökologischen Konflikten Zusatzvermerke „hohes ökologisches Risiko“ beziehungsweise „besonderer naturschutzfachlicher Planungsauftrag“. Die Chance, diese ökologisch besonders bedenklichen Projekte bei der Meldung zum BVWP 2015 komplett zu streichen, wurde in NRW nicht ergriffen.

Aus der Meldeliste sind zwar einige „Wünsche“ der Regionalräte/ der RVR-Verbandsversammlung rausgefallen, für die im BVWP 2003 ein „hohes ökologisches Risiko“ bzw. ein „besonderer naturschutzfachlicher Planungsauftrag“ festgestellt wurde. Von den Projekten des „weiteren Bedarfs“ sind das die Ortsumgehungen (OU) B 476 Sassenberg (Kreis Warendorf), B 239 OU Horn/Bad Meinberg/Belle (Kreis Lippe), B 41 OU Beverungen/Dalhausen, B 252 Brakel/Rheder und Brakel/Siddessen (alle Kreis Höxter), B 258 OU Aachen/Kornelimünster. Von den Projekten des „vordringlichen Bedarfs“ mit einem „naturschutzfachlichem Planungsauftrag“ sind nur zwei „Wünsche“ nicht aufgenommen worden: B 239 OU Horn/Bad Meinberg (Kreis Lippe) und B 62 Hilchenbach /Grund - Altenteich mit OU Lützel (Kreis Siegen-Wittgenstein). Andere Projekte, für die im BVWP 2003 ein „besonderes ökologisches Risiko“ bzw. ein „naturschutzfachlicher Planungsauftrag“ vermerkt ist, sind erneut in die Meldeliste aus NRW aufgenommen, u.a. die A 1 „Eifelautobahn“ (Kreis Euskirchen), B 8 Dinslaken-Wesel (Kreis Wesel), B 65 Preußisch Oldendorf-Lübbecke-Hille (Kreis Minden-Lübbecke), B 508 OU Hilchenbach (Kreis Siegen-Wittgenstein), B 480 OU Winterberg/Niedersfeld (Hochsauerlandkreis).

Weitere Informationen zur naturschutzfachlichen Bewertung und den Bedarfsplaneinstufungen im BWVP 2003 finden sich in der » aktuellen Projektmeldung.

Stellung nehmen!

Zum Ende des Jahres 2013 plant das Bundesverkehrsministerium die Veröffentlichung der Projektanmeldungen, die im kommenden Jahr einer Strategischen Umweltprüfung (SUP) unterzogen und durch eine Kosten-Nutzen-Analyse bewertet werden sollen. Zum Ergebnis – einem BVWP-Referentenentwurf des Bundes – kann voraussichtlich im Jahr 2015 Stellung genommen werden. So lange wollen die Naturschutzverbände in NRW nicht warten. Das Landesbüro der Naturschutzverbände NRW wird Bewertungen der Projekte vornehmen, um diese frühzeitig in das weitere Verfahren (SUP!) einzubringen. Hierzu erfolgt im November 2013 eine Abfrage bei den örtlichen Vertretern der Naturschutzverbände. Die Bewertungen der örtlichen Verbandsvertreter werden durch das Landesbüro in einer Stellungnahme gebündelt und beim Bundesverkehrsministerium zur Berücksichtigung im weiteren Verfahren eingereicht werden.

Zum Thema

» Umweltbundesamt