Den anerkannten Vereinigungen stehen Rechtsbehelfe gegen bestimmte Planungs- und Zulassungsentscheidungen zu: Die naturschutzrechtliche Verbandsklage nach dem Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) und - in Nordrhein-Westfalen -  Landesnaturschutzgesetz NRW (LNatSchG) sowie die Verbandsklage nach dem Umweltrechtsbehelfsgesetz (UmwRG). Die Verbandsklagen können darauf gerichtet sein, dass das Gericht die Planungs- oder Zulassungsentscheidung wegen Verstöße gegen natur- und umweltrechtliche Vorschriften, aber auch wegen verfahrensrechtlicher Verstöße aufhebt oder dass Änderungen und Ergänzungen der Entscheidung erfolgen müssen.

In Nordrhein-Westfalen entscheiden die anerkannten Naturschutzverbände auf Landesebene darüber, ob eine naturschutzrechtliche Verbandsklage oder Umweltklage geführt wird. Die Landesverbände sind für die Beauftragung eines Rechtsanwaltes, die Finanzierung und die organisatorische und inhaltliche Begleitung einer gerichtlichen Auseinandersetzung verantwortlich.

Naturschutzrechtliche Verbandsklage, § 64 BNatSchG, § 68 LNatSchG

Die naturschutzrechtliche Verbandsklage steht inländischen und ausländischen anerkannten Naturschutzvereinigungen zu; erforderlich ist, dass die Naturschutzvereinigung ihrer Satzung nach mindestens (bundes-)landesweit tätig ist (vgl. § 63 Abs. 2, § 64 Abs. 1 BNatSchG). Im Interesse einer nicht von vorherein zum Scheitern verurteilten Verbandsklage muss geltend gemacht werden können:

  • dass die Entscheidung Vorschriften des BNatSchG, Rechtsvorschriften, die auf Grund des BNatSchG erlassen worden sind oder fortgelten, Naturschutzrecht der Länder oder anderen Rechtsvorschriften, die bei der Entscheidung zu beachten und zumindest auch den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu dienen bestimmt sind, widerspricht,

  • die Naturschutzvereinigung in ihrem satzungsgemäßen Aufgaben- und Tätigkeitsbereich, soweit sich die Anerkennung darauf bezieht, berührt wird und

  • dass die Naturschutzvereinigung zur Mitwirkung nach § 63 Absatz 1, Nr. 2 BNatSchG (bundesweit aktiv) oder § 63 Absatz 2, Nr. 4a bis 5 BNatSchG (landesweit aktiv) berechtigt war und sie sich hierbei in der Sache geäußert hat oder ihr keine Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden ist.

    Die Klagemöglichkeit nach § 64 BNatSchG besteht zusätzlich in den Fällen des § 63 Abs. 1 Nr. 3 sowie § 63 Abs. 2 Nr. 6 BNatSchG (Planfeststellungsbeschlüsse von Bundes- oder Landesbehörden, die mit Eingriffen in Natur und Landschaft verbunden sind), sofern eine Anwendung des Bundesnaturschutzgesetzes nicht nach den Vorgaben des Umweltrechtsbehelfsbehelfsgesetzes ausgeschlossen ist (s.u.).

Für die landesweit tätigen anerkannten Naturschutzvereinigungen in Nordrhein-Westfalen ergeben sich weitere Klagemöglichkeiten aus § 68 LNatSchG. Diese Regelung erweitert den durch § 64 BNatSchG bereits bestehenden Kreis der Entscheidungen, gegen die die Naturschutzverbände Rechtsbehelfe einlegen können, auf landesrechtlich vorgesehene Beteiligungsfälle, vorausgesetzt, die Entscheidung beruht auf Landesrecht wie z. B. die Entscheidung nach dem Landesforstgesetz über Erstaufforstungen oder Waldumwandlungen mit einer Fläche von mehr als 3 Hektar (vgl. § 66 LNatSchG). Auch für die auf LNatSchG gestützten Verbandsklagen gilt, dass die Naturschutzvereinigung zu Mitwirkung erechtigt war (vgl. § 66 LNatSchG) und sich hierbei in der Sache geäußert hat oder ihr keine Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden ist.

Umweltklage, § 2 UmwRG

Die Umweltklage steht jeder seit 1. März 2010 nach den Vorgaben in § 3 Umweltrechtsbehelfsgesetz (UmwRG) anerkannten inländischen und ausländischen Vereinigung (Naturschutzvereinigungen eingeschlossen!) sowie jeder nach § 5 UmwRG „übergeleiteten“ anerkannten Vereinigung zu.

Bisher zur Novelle des UmwRG im Juni 2017 umfasste der Anwendungsbereich des UmwRG bereits

  • sämtliche Verwaltungsentscheidungen, die ein Vorhaben zulassen, für das möglicherweise eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchzuführen ist, vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG,
  • im förmlichen Verfahren nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz getroffene Genehmigungsentscheidungen, nachträgliche Anordnungen von Emissionsbegrenzungen, wasserrechtliche Erlaubnisse für Gewässerbenutzungen, die mit einem Vorhaben im Sinne der Industrieemissionsrichtlinie verbunden sind, vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG sowie
  • Entscheidungen nach dem Umweltschadensgesetz, vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG.

Dieser enge, nicht mit den völkerrechtlichen Vorgaben der Aarhus-Konvention in Einklang stehende, Anwendungsbereich ist mit der jüngsten Novelle des UmwRG wesentlich erweitert worden. Klagegegenstände sind zusätzlich u.a.:

  • Entscheidungen über die Annahme von Plänen und Programmen, für die Pflicht zur Durchführung einer strategischen Umweltprüfung (SUP) bestehen kann. Hierunter fallen beispielsweise Bebauungspläne, Flächennutzungspläne, Landschaftspläne, Regionalpläne, bestimmte Luftreinhaltepläne oder wasserwirtschaftliche Maßnahmenprogramme nach § 45h Wasserhaushaltsgesetz (WHG), vgl. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UmwRG. Nicht vom Anwendungsbereich erfasst sind allerdings Raumordnungspläne, die Flächen für die Windenergienutzung oder für den Abbau von Rohstoffen ausweisen, sowie die Verkehrswegeplanung auf Bundesebene.
  • Entscheidungen über die Zulässigkeit von Vorhaben, in deren Rahmen umweltrechtliche Vorschriften zur Anwendung kommen, vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG.
  • Überwachungs- und Aufsichtsmaßnahmen, die sich auf Entscheidungen gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1–5 UmwRG beziehen und umweltbezogene Rechtsvorschriften durchsetzen sollen, vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG.

Sollten sich in Bezug auf Planfeststellungsbeschlüsse, die § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 oder 5 UmwRG unterfallen, die Anwendungsbereiche der naturschutzrechtlichen Verbandsklage (§ 64 BNatSchG) und der Umweltklage (§ 2 UmwRG) überschneiden, kommt nur das UmwRG zur Anwendung (§ 1 Abs. 3 UmwRG, § 64 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG).

Im Interesse einer nicht von vorherein zum Scheitern verurteilten Umweltklage muss eine Vereinigung nicht länger geltend machen, dass eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 URG oder deren Unterlassen, sie in ihren Rechten verletzt.*

Auch in Bezug auf die Präklusion von Einwendungen im gerichtlichen Verfahren bestand dringender Novellierungsbedarf. Die sogenannte Präklusion hat zur Folge, dass im Gerichtsverfahren nur solche Einwendungen Berücksichtigung finden (dürfen), die von der Vereinigung im Rahmen der jeweils geltenden Verfahrensfristen hinreichend detailliert vorgetragen worden sind. Mit der jüngsten Novelle sind nun sowohl die bisher für alle Umweltklagen geltende Präklusionsvorschrift des § 2 Abs. 3 UmwRG (a.F.) als auch einige zuvor im Fach-, Verfahrens- und Prozessrecht geregelte Präklusionsvorschriften gestrichen bzw. geändert worden. Die in § 73 Abs. 4 Satz 3 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) geregelte Präklusionsanordnung im Rahmen von Planfeststellungsverfahren wurde zwar nicht aufgehoben, allerdings wird nun in § 7 Abs. 4 UmwRG klargestellt, dass diese Vorschrift in den vom Anwendungsbereich des UmwRG erfassten Planfeststellungsverfahren, die der UVP-Richtlinie bzw. der IED-Richtlinie der EU unterliegen, keine Anwendung mehr findet.

Im Fall einer Umweltklage nach § 2 UmwRG muss die Vereinigung geltend machen können, dass

  • die Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG oder deren Unterlassen den Rechtsvorschriften, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können, widerspricht, und
  • sie durch diese Entscheidung oder deren Unterlassen in ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich der Förderung der Ziele des Umweltschutzes berührt ist.

Zusätzlich kommt es in den Fällen des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 2b) und Nr. 4 UmwRG darauf an, dass die Vereinigung zur Beteiligung berechtigt war. Im Fall von Nr. 4 muss sich die Vereinigung hierbei in der Sache gemäß den geltenden Rechtsvorschriften geäußert haben; das gilt nicht, wenn ihr entgegen den geltenden Rechtsvorschriften keine Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden ist.

Bei Rechtsbehelfen gegen Entscheidungen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a) bis 6 UmwRG oder deren Unterlassen muss die Vereinigung zusätzlich die Verletzung umweltbezogener Rechtsvorschriften geltend machen.

Im Beitrag "Die jüngste Novelle des Umweltrechtsbehelfsgesetzes" von Sybille Müller werden weitere Rechtsänderungen vorgestellt und erläutert.

 

* In seiner Entscheidung vom 12. Mai 2011 hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) bereits klargestellt, dass die damalige Fassung des Umweltrechtsbehelfsgesetzes (URG) die Klagerechte der anerkannten Umweltverbände in europa- und völkerrechtswidriger Weise einschränkt. Das Urteil ermöglichte den anerkannten Verbänden die Ausschöpfung des sachlichen Anwendungsbereichs des § 1 URG. Bis zur Korrektur des URG durch den bundesdeutschen Gesetzgeber konnten sich die Verbände hinsichtlich ihrer Klagebefugnis unmittelbar auf das Europarecht berufen. Im Januar 2013 hatte der Bundesgesetzgeber auf die Entscheidung des EuGH mit einer entsprechenden Gesetzesänderung reagiert.

 

Zum Weiterlesen

"Die jüngste Novelle des Umweltrechtsbehelfsgesetzes", Beitrag von Sybille Müller/ Landesbüro im Rundschreiben 44, Dezember 2017

"Alle Jahre wieder - Neues vom Umweltrechtsbehelfsgesetz", Beitrag von Sybille Müller/ Landesbüro im Rundschreiben 43, Dezember 2016

"Haben sich die Chancen für die Umweltverbandsklage mit der Novelle des Umweltrechtsbehelfsgesetzes verbessert?", Beitrag von Sybille Müller/ Landesbüro im Rundschreiben 38, April 2013

"EuGH entlarvt Umweltrechtsbehelfsgesetz als zahnlosen Tiger", aktuelle Meldung vom 17.5.2011

"Neue Chancen für die Umweltklage", Beitrag von Sybille Müller/ Landesbüro im Rundschreiben 36, Dezember 2011


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