Zur Diskussion: Überarbeiteter Netzentwicklungsplan und Umweltbericht im Entwurf

Aktualisierte Auswertung des NEP-E für Nordrhein-Westfalen und eine erste Durchsicht der Unterlagen zum Netzentwicklungsplan und des Umweltberichts

Eine erste Durchsicht der Unterlagen zum Netzentwicklungsplan (NEP-E) und des Umweltberichts (U-E) der Bundesnetzagentur (BNetzA) im Entwurf, die seit Anfang September 2012 zur Verfügung stehen, ergibt: Viel hat sich trotz der zahlreichen Einwendungen nicht geändert. Die Ausführungen sind länger geworden, einzelne Begründungen der Projekte wurden geändert. Für Nordrhein-Westfalen wurden zwei Projekte aus dem Ergebnisnetz ins Startnetz und zwei Projekte aus dem Startnetz ins Ergebnisnetz verlagert. Hat sich das aufwändige Konsultationsverfahren bisher gelohnt? Großer Presseaufmerksamkeit und recht starker Beteiligung der Öffentlichkeit stehen nur wenige und eher kosmetische Änderungen gegenüber. Die Projekte, die nach heutiger Einschätzung Nordrhein-Westfalen betreffen können, sind in einer aktualisierten Übersicht zusammengestellt.

Auch die BNetzA hat den überarbeiteten Netzentwicklungsplan der Übertragungsnetzbetreiber bewertet und in einem Begleitdokument die Schwachstellen, die der NEP-E aus ihrer Sicht aufweist, benannt. Obwohl die BNetzA auf Schwierigkeiten bei der Prüfung der energiewirtschaftlichen Notwendigkeit der Maßnahmen hinweist, hat sie bislang darauf verzichtet, ein sogenanntes Änderungsverlangen (vgl. § 12 c Abs. 1 Satz 2 EnWG) gegenüber den Übertragungsnetzbetreibern auszusprechen:

„Die Behörde kann im gegenwärtigen Zeitpunkt die energiewirtschaftliche Notwendigkeit vieler Maßnahmen weder abschließend bestätigen noch ausschließen. Es fehlt bisher an wirklich tragfähigen Grundlagen für konkrete Änderungsvorgaben, da der Prüfungsprozess noch andauert. Darüber hinaus wollte der Gesetzgeber ganz offensichtlich eine höchst mögliche Beschleunigung des ersten Netzentwicklungsplans. Dies wird durch die Vorlagepflicht der Übertragungsnetzbetreiber zum 3. Juni 2012 gemäß § 12b Abs. 1 Satz 1 EnWG und der Vorlage des nachfolgenden Netzentwicklungsplans schon für den 3. März 2013 deutlich. Die Behörde wird daher den Entwurf des Netzentwicklungsplans mit größtmöglicher Sorgfalt prüfen, ein Zwischenverfahren über Änderungsverlangen, das unvermeidbar eine Verzögerung des Beginns des behördlichen Konsultationsverfahrens nach § 12c Abs. 3 EnWG zur Folge gehabt hätte, erschien dagegen nicht ermessensgerecht.“ (S. 6, 2. Absatz des Begleitdokuments vom 3.9.2012)

Diese Einschätzung von fachkundiger Stelle bietet der Öffentlichkeit und Politik wertvolle Ansatzpunkte zur Diskussion. Die sollte jetzt intensiv stattfinden! Schließlich soll der NEP als Entwurf für den so gennannten Bundesbedarfsplan herangezogen werden, mit dem der Gesetzgeber im nächsten Schritt die "energiewirtschaftliche Notwendigkeit und der vordringliche Bedarf" für die im NEP/ Bundesbedarfsplan aufgeführten Projekte festlegen wird. Wie könnte der Bundestag eine solche energiewirtschaftliche Prüfung vornehmen, wenn schon die Fachbehörde feststellt, dass der Prüfprozess noch nicht abgeschlossen werden kann?

Erste Einschätzungen der BNetzA gibt es gleichwohl: So hält die BNetzA die Maßnahmen des Startnetzes, die also entweder bereits genehmigt oder im Bau und teils auch schon in Betrieb sind oder aber bereits im Bedarfsplan des EnLAG aus dem Jahr 2009 erwähnt sind, für nicht mehr hinterfragbar (S. 6, 2. Absatz des Begleitdokuments vom 3.9.2012). Sie prüft daher nur die 72 Einzelmaßnahmen aus 50 Projekten des Ergebnisnetzes, das die Übertragungsnetzbetreiber für das Jahr 2022 vorgeschlagen haben. In Nordrhein-Westfalen sind das 6 Projekte (vgl. „ja“ in Spalte 5 der Auswertung für NRW). Das ist nicht überzeugend, denn die unter ganz anderen Bedingungen vor Jahren gefällten Entscheidungen des Bundesgesetzgebers zum EnLAG-Bedarfplan sollten heute nicht ungeprüft übernommen werden. Jedenfalls dann nicht, wenn die Projekte noch gar nicht genehmigt sind. Dies trifft für die meisten Neubau-Projekte des EnLAG, insbesondere die Nord-Süd-Leitungstrassen, zu (siehe EnLAG-Montoring der BNetzA).

Hingegen erachtet die BNetzA die 4 Nord-Südleitungen in Gleichstromtechnik (Overlay-HGÜ-Netz) heute noch nicht als ohne weiteres technisch realisierbar. Sowohl wegen der heute für diese Übertragungskapazität noch nicht existenten HGÜ-Technik (S. 15 u. 16 des Begleitdokuments vom 3.9.2012) als auch wegen der insgesamt 2.100 km langen Korridore für diese Overlay-Leitungen.

Als Alternative bringt die BNetzA daher auch andere verlustarme Übertragungstechniken z.B. mit 500 kV, statt der üblichen 380 kV ins Gespräch. Bemerkenswert daran ist, dass in der politischen und öffentlichen Diskussion die von den Übertragungsnetzbetreibern angedachten HGÜ-Overlay-Leitungsstränge fast diskussionslos hingenommen werden, als sei dies die einzig mögliche Problemlösung.

Aus hiesiger Sicht ergibt sich gerade für das HGÜ-Overlay-Netz auch noch eine zusätzliches Prüfdefizit: Die Übertragungsnetzbetreiber haben - soweit nachvollziehbar - den NEP-E mit einem Modellierungsverfahren entwickelt, bei dem Stromerzeugung und Stromverbrauch auf der Grundlage des von den Netzbetreibern im Sommer 2011 entwickelten ersten Szenariorahmens - den die BNetzA genehmigt hatte - als Startgrößen eingehen und Schritt für Schritt die nötige Ausbaustrecken hinzumodelliert werden. Bedenklich erscheint jedoch, dass die Notwendigkeit von 4 HGÜ-Nord-Süd-Leitungen weder von den Übertragungsnetzbetreibern zweifelsfrei nachgewiesen bzw. iterativ modelliert (S. 21 des Begleitdokuments), noch von der BNetzA überprüft wurde (S. 35). Denn das HGÜ-Overlay-Netz wurde von den Übertragungsnetzbetreibern schon vor dem Modellierungsverfahrens mit dem Argument „gesetzt", der Transport der Strommengen von Nord nach Süd sei nicht anders zu bewältigen.

Zu prüfen bleibt daher, ob es zu den 4 HGÜ-Leitungen quer durch Deutschland Alternativen gibt: Möglicherweise der Bau von nur 2 HGÜ-Leitungen und einem ganz anders gearteten Ausbau des Drehstromnetzes als der vorzugswürdigen, weil billigeren und ökologisch besseren Option? Die Notwendigkeit der Abschnitte 01 (Emden/Borßum - Osterath) und 02 (Osterath-Phillipsburg) der HGÜ-Leitung A, die beide durch Nordrhein-Westfalen führen, drängt sich nicht gerade auf! Es sollte daher größtmöglicher Wert auf die Prüfung des Netzzusammenhangs gelegt werden. Vielleicht sind beide Leitungen in der Gesamtschau des Netzes überflüssig?

Abzuwarten bleibt, ob die BNetzA nach Abschluss der aktuellen Konsultation zum NEP-E und U-E doch noch eine detaillierte Prüfung der energiewirtschaftlichen Notwendigkeit leisten wird? Und einzelnen Projekten eine Absage erteilt? Angesichts der schon jetzt absehbaren ökologischen Konflikte dieser und anderer Projekte des Netzentwicklungsplans bleibt es spannend!

Wenn Sie an der Erarbeitung der Stellungnahme der Naturschutzverbände für Nordrhein-Westfalen mitarbeiten wollen, wenden Sie sich mit Ihren Anregungen und Bedenken bis zum

  • 29. Oktober 2012

an das Landesbüro der Naturschutzverbände.