EuGH entlarvt Umweltrechtsbehelfsgesetz als zahnlosen Tiger

Für die Interessen von Fischen, Fröschen, Biber und Co ...

Gelbbauchunke Foto: A. Baumgartner

Gelbbauchunke A. Baumgartner

können in Deutschland Natur- und Umweltschutzverbände vor Gericht ziehen. Dabei geht es um den Schutz einzelner Tiere vor Störung und Tötung, sowie um den Schutz ihrer Lebensräume vor Zerstörung – in diesem Zusammenhang werden häufig Wahrung und Schutz der Biodiversität eingefordert. Das Engagement der Naturschützer wendet sich damit zwangsläufig oft gegen die – gegenüber der Biodiversität häufig blinde – Durchsetzung von Projekten der Infrastruktur , Energieversorgung, Siedlungs- und Gewerbeentwicklung.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat klagenden Umweltverbänden in seinem aktuellen Urteil vom 12.05.11  nun den Rücken gestärkt. Auf Vorlage des OVG Münster stellte er klar, dass anerkannte Umweltverbände im Rahmen der Umweltklage nach dem Umweltrechtsbehelfsgesetz (im Folgenden UmwRG) die Möglichkeit haben müssen, vor Gericht auch die Verletzung solcher umweltrechtlichen Normen zu rügen, die nicht „drittschützend“ sind, sondern „nur“ Interessen der Allgemeinheit schützen. Zu diesen Normen, die „nur“ die Interessen der Allgemeinheit schützen, und deren Verletzung die Verbände nach der gegenwärtigen Fassung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG paradoxer Weise nicht rügen durften, zählen weite Teile des nationalen Umweltrechts.

Vor diesem Hintergrund war diese restriktive Formulierung des UmwRG aus Sicht der Verbände von seiner Verabschiedung an in hohem Maße zweckwidrig und im Hinblick auf ihre Europarechtskonformität fragwürdig. Das UmwRG sollte die Klagemöglichkeiten von Umweltverbänden in Umsetzung völker- und europarechtlicher Vorgaben eigentlich wesentlich erweitern, und auf diesem Wege gerade die Lücke gerichtlicher Kontrollmöglichkeiten schließen, die im Bereich des mehrheitlich objektiv-rechtlich ausgerichteten Umweltrechtes durch ein am Individualrechtsschutz orientiertes Rechtsschutzsystem entstanden war (als Fisch zieht es sich schlecht vor Gericht). Dieses Ziel verfehlte das im Dezember 2006 verabschiedete UmwRG jedoch aufgrund der o.g. Einschränkung um Längen.

Die EU-Richter schlossen sich dieser Argumentationslinie in ihrem Urteil vom 12.05.2011 im Wesentlichen an. Eine umfassendere als die in Deutschland bislang geregelte Rügebefugnis für die Verbände ergebe sich aus dem Völker– und Europarecht, denn sowohl das Übereinkommen von Aarhus als auch in Umsetzung dieses völkerrechtlichen Abkommens erlassene EU-Richtlinien würden den Verbänden eine entsprechende Rolle als Sachwalter der Natur zuerkennen, die ihnen die Mitgliedsstaaten durch eine restriktive Umsetzung der Richtlinien in nationales Recht nicht nehmen dürften. Die eingeschränkte Rügebefugnis der Umweltverbände nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG bewege sich außerhalb des nationalen Ausgestaltungsspielraums, den Art. 10a UVP- Richtlinie den Mitgliedsstaaten einräume und stünde im Widerspruch zu dem Ziel der Aarhus-Konvention, der betroffenen Öffentlichkeit „einen weiten Zugang zu Gerichten“ zu gewähren. Zuletzt verstoße die Einschränkung gegen den europarechtlichen Effektivitätsgrundsatz, wenn daraus folge, dass die betreffenden Verbände nicht auch eine Verletzung von aus dem Umweltrecht der Union hervorgegangenen Rechtsvorschriften geltend machen können, nur weil sie Interessen der Allgemeinheit schützen.

Der bundesdeutsche Gesetzgeber ist nun gehalten, die Formulierung des Umweltrechtsbehelfsgesetzes nachzubessern. Bis das geschehen ist, können klagende Verbände ihre Rügebefugnis direkt aus Art. 10a Abs. 3 S. 3 UVP-Richtlinie ableiten.

Ausgangsfall vor dem OVG Münster war eine Klage des BUND gegen die von der Bezirksregierung Arnsberg erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb eines Kohlekraftwerkes in Lünen zugunsten der Trianel Power-Projektgesellschaft Kohlekraftwerk GmbH & Co. KG. Während der mündlichen Verhandlung im März 2009 hielten die Richter es für möglich, dass der Genehmigungsbescheid gegen europäisches und nationales Naturschutzrecht verstößt, waren sich jedoch aufgrund der o.g restriktiven Formulierung des UmwRG nicht sicher, ob der BUND diese Verstöße gerichtlich rügen durfte. Daher legten sie diese Frage dem EuGH zur sog. Vorabentscheidung vor.

Wie das Verfahren vor dem OVG Münster nun weiter geht, bleibt zumindest im Ergebnis abzuwarten. Fest steht nun jedoch, dass der BUND in diesem Verfahren Verstöße der Kraftwerksgenehmigung gegen europäisches und aus dem Europarecht hervorgegangenes nationales Naturschutzrecht gerichtlich geltend machen darf. Hinsichtlich weiterer Informationen zum tatsächlichen und rechtlichen Hintergrund dieser Entscheidung verweisen wir auf die Internetpräsenz des BUND NRW » www.bund-nrw.de.