Drohen auf dem Drachenfelsplateau Umweltschäden?

Im Juli 2012 hat das Verwaltungsgericht Köln die naturschutzrechtliche Befreiung von den Verboten der Naturschutzgebietsverordnung „Siebengebirge“ für die Neugestaltung des Besucherzentrums in Gestalt eines Glaskubus auf dem Drachenfelsplateau bei Königswinter für rechtswidrig erklärt und aufgehoben. Das Gericht bestätigte damit umfassend die Auffassung des klagenden Naturschutzverbands BUND NRW, wonach der beklagte Rhein-Sieg-Kreis es bislang versäumt hat, die naturschutzfachlichen Anforderungen an das Bauvorhaben hinsichtlich der Maßnahmen zur Vermeidung des Vogelschlags bzw. zur bestmöglichen Minimierung des Vogelschlagrisikos rechtlich unangreifbar zu treffen. Der Rhein-Sieg-Kreis ist nun gehalten, dass Versäumte nachzuholen und die natur- und artenschutzgerechte Fassadengestaltung gegenüber dem Vorhabenträger durchzusetzen. Andernfalls drängt sich die Frage auf, ob der zu befürchtende Vogelschlag am Glaskubus als Umweltschaden nach § 19 BNatSchG zu beurteilen ist.

Vogelschlagträchtiger Glaskubus auf dem Drachenfelsplateau bei Königswinter. A. Baumgartner

Was bisher geschah: Das Drachenfelsplateau im Siebengebirge bei Königswinter soll neu gestaltet werden. Vorgesehen sind insbesondere der Abriss eines Gebäudes sowie die Errichtung eines Glaskubus. Der Bauplatz des Vorhabens ist mitten in einem FFH-Gebiet gelegen, das auch von der NSG-Verordnung „Siebengebirge“ erfasst wurde. Zur Realisierung des Bauvorhabens hatte der Rat der Stadt Königswinter im September 2010 den Bebauungsplan Nr. 10/32 „Drachenfels und Umgebung“ für den betroffenen Bereich beschlossen. Passend dazu hob die Bezirksregierung Köln mit ordnungsbehördlicher Verordnung im März 2011 die NSG-Verordnung „Siebengebirge“ für den Geltungsbereich dieses Bebauungsplans auf. Die Vorhabenträgerin, der im August 2011 von der Stadt Königswinter eine Baugenehmigung erteilt worden war, hat mit der Realisierung des Glaskubus begonnen. Diese ist zwischenzeitlich so weit vorangeschritten, dass auch der Einbau der Glasflächen erfolgt ist. Vertreter des BUND NRW äußerten im Rahmen der Verbandsbeteiligung wiederholt, dass das zum Einbau vorgesehene Glas nicht geeignet ist, die Gefahren des Vogelschlags wirkungsvoll zu verringern. Um diesen wirksam zu begegnen, sei vielmehr der Einbau eines Glases mit aufgebrachten Markierungen erforderlich. Die Untere Landschaftsbehörde des Rhein-Sieg-Kreises hingegen erklärte im Juli 2011 gegenüber dem Vorhabenträger ausdrücklich ihr „Einvernehmen zur Fassadengestaltung und zum Lichtkonzept“ mit der Vorgabe, dass für die Fassadenflächen Glas mit einem Außenreflexionsgrad von maximal 20 % verwendet werden müsse. Diesem „Einvernehmen“ war ein Bescheid vom September 2010 voraus gegangen, mit dem der Rhein-Sieg-Kreis für das Vorhaben eine „Befreiung von den Verboten der Naturschutzgebietsverordnung“ erteilte, und zwar „unter der Bedingung, dass die Fassadengestaltung und das Lichtkonzept für den Anbau noch einvernehmlich mit meiner Landschaftsbehörde – mit Beteiligung des Landschaftsbeirats und nach Anhörung der Naturschutzvereine - abgestimmt werden und die Bestimmungen des Artenschutzes (Vermeidung Vogelschlag und Lichtfalle Insekten) beachtet werden“.

Das Vorhaben mag nach den Vorgaben des Baurechts zulässig sein, mit den Vorgaben des Naturschutzrechts ist es bis auf weiteres nicht vereinbar. Dies ist das Ergebnis der Klage des BUND NRW gegen den Rhein-Sieg-Kreis, über die das Verwaltungsgericht Köln am 24. Juli 2012 zugunsten des BUND NRW entschieden hat. Im gerichtlichen Verfahren war neben der Frage, ob die Untere Landschaftsbehörde ein „Einvernehmen“ zu dem von der Vorhabenträgerin in ihrem Antrag genannten Glas und dem Lichtkonzept erklären konnte (2), auch geprägt vom Streit darüber, ob der BUND NRW als Umwelt- und Naturschutzvereinigung Klage erheben durfte bzw. konnte (1).

(1) Vor dem Verwaltungsgericht Köln bot der Rhein-Sieg-Kreis die Argumentation, dass die Klage des BUND NRW bereits unzulässig sei. Die Behauptung, die Erklärung des „Einvernehmens“ im Juli 2011 komme gar keine regelnde Wirkung im Sinne einer Befreiung mit Pflicht zur Beteiligung der anerkannten Naturschutzverbände zu, widerlegte das Gericht mit dem schlichten Wortlaut dieses Bescheides, der gerade die Regelung über die Streitpunkte Fassadengestaltung und Lichtkonzept treffe. Ferner ließ das Gericht nicht die Auffassung gelten, dass das Bauvorhaben keiner Befreiung (und folglich keiner Mitwirkung der Naturschutzverbände, woraus sich das Klagerecht ableitet!) bedurfte, da es durch Teilaufhebung der Schutzgebietsverordnung für den Bebauungsplan nicht länger im Geltungsbereich der Schutzgebietsverordnung „Siebengebirge“ liegt. Denn sowohl die Glasfassade als auch die von dem zukünftigen Gebäude ausgehenden Lichteinwirkungen können sich nachteilig auf das „verbleibende“ Naturschutzgebiet „Siebengebirge“ auswirken: Namentlich die dort lebenden Vögel, die gerade durch die Schutzgebietsverordnung geschützt werden sollen, hielten sich nicht an „administrative Grenzen“, zumal der herausgenommene Teil in Mitten des Schutzgebiets liege, so das Gericht. Gemäß § 23 Abs. 2 S. 1 BNatSchG sind jedoch alle Handlungen verboten, die zu einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung des Naturschutzgebiets oder seiner Bestandteile oder zu einer nachteiligen Störung führen können. Eben aus diesem Grunde ist für den Bau eines Glaskubus eine Befreiung von den Verboten der Schutzgebietsverordnung „Siebengebirge“ erforderlich. Ausdrücklich stellte das Verwaltungsgericht Köln in seinem Urteil noch einmal klar, dass sich das Veränderungsverbot des § 23 Abs. 2 S. 1 BNatSchG auch auf Handlungen erstreckt, die zwar außerhalb eines Schutzgebiets stattfinden, sich in diesem jedoch auswirken. Auch eine Schutzgebietsverordnung, die – wie die vorliegende - in ihrem Verbotskatalog nur Handlungen nenne, die im NSG vorgenommen werden, sei nach der Neufassung des § 23 Abs. 2 BNatSchG entsprechend auszulegen. Eine solche Regelung in einer Verordnung sei als untergesetzliche Regelung im Einklang mit dem höherrangigen Bundesrecht auszulegen.

(2) Da die Zulässigkeit der Klage für das Gericht außer Frage stand, prüfte es, ob das Vorhaben mit den Vorgaben des Naturschutzrechts zu vereinbaren und damit befreiungsfähig ist, und geht ohne zu Zögern davon aus, dass die Befreiung (hier in Gestalt des „Einvernehmens“) nicht erteilt werden konnte. Insbesondere weil die Befreiung das absolute Veränderungsverbot des § 23 Abs. 2 BNatSchG durchbrechen sollte, könne selbst bei Vorliegen eines überwiegenden öffentlichen Interesses, das § 67 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG verlange, von der Notwendigkeit der Befreiung, die ebenfalls Voraussetzung sei, nicht ausgegangen werden. Selbst bei Einbau des von der Vorhabenträgerin benannten Glases (mit einem Vogelschlagvermeidungsfaktor von bestenfalls 68 %) gäbe es zumutbare Alternativen, die wesentlich wirksamer gegen Vogelschlag seien, nämlich Glastypen mit sichtbaren Markierungen, die einen Vogelschlagvermeidungsfaktor von mehr als 90 % aufweisen. Der Behauptung der Vorhabenträgerin, die Verwendung dieser Glastypen senke die Attraktivität für Besucher wegen eingeschränkter Durchsicht und sei deshalb nicht zumutbar, hält das Gericht entgegen, dass sie damit Besuchern mangelndes Verständnis für den Vogelschutz unterstelle und verweist darauf, dass auch der bisherige Betonbau die Attraktivität des Drachenfels-Plateaus nicht schmälern konnte. Aus denselben Erwägungen kommt für das Gericht auch eine Befreiung nach § 67 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG nicht in Betracht: Neben der fehlenden zumutbaren Belastung für die Vorhabenträgerin sei auch die Vereinbarkeit einer Abweichung mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege nicht gegeben. Hinsichtlich des Lichtkonzepts führt das Gericht aus, dass dieses nicht geeignet sei, Beeinträchtigungen geschützter Vögel zu vermeiden, weil insbesondere die von der Vorhabenträgerin eingereichten Unterlagen unzureichend Auskunft geben, und zwar speziell zu Vogelschlag und Lichtlockung für Falter, Fledermäuse und Vögel. Dass Stellungnahmen dazu vom Rhein-Sieg-Kreis zwar angefordert, von der Vorhabenträgerin jedoch nie eingereicht wurden, schien die Kreisverwaltung jedoch nicht daran zu hindern, die Befreiung auch für das Lichtkonzept zu erteilen. Abschließend stellt das Gericht fest, dass die mit der Klage des BUND angegriffene Befreiungsentscheidung ermessensfehlerhaft ist. Dies nicht etwa deshalb, weil Abwägungen nicht ordnungsgemäß vorgenommen wurden, sondern schlicht deshalb, weil keinerlei Ermessenserwägungen angestellt wurden. Diese – so dachte wohl die Kreisverwaltung - habe sie bereits mit ihrem (ersten) Bescheid vom September 2010 vorgenommen. Dass dieser ausdrücklich Fassadengestaltung und Lichtkonzept ausnahm, führt denklogisch dazu, dass darüber keine Ermessenserwägungen angestellt werden konnten. Das Übersehen dieses eigentlich offensichtlichen Fehlers, lässt auch den Rückschluss zu, dass die Behörden wohl irgendwann den Überblick verloren hatten, was sie wann und mit welchem Instrument, sei es Bebauungsplan, Herausnahme des Bauplatzes aus dem Naturschutzgebiet, Baugenehmigung oder verschiedenen Bescheiden, abgearbeitet hatten.

Weitere Informationen beim BUND Rhein-Sieg  http://www.bund-rsk.de/