10 Jahre Wasserrahmenrichtlinie – Verschlechterungsverbot zeigt Wirkung

Der BUND NRW hat mit seiner Klage gegen einen Planfeststellungsbeschluss des Kreises Kleve die Verfüllung des Altrheinarmes „Tweestrom“ in Kleve erfolgreich verhindert. Die aktuelle Entscheidung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf stärkt das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot. Das Verbot ist wesentlicher Bestandsteil der wasserrechtlichen Bewirtschaftungsziele, die ihren Ursprung in der europäischen Wasserrahmenrichtlinie haben.

Tweestrom in Kleve gerettet. K.H. Burmeister

Ein ortsansässiges Betonwerk wollte sein Betriebsgelände um den Bereich des „Tweestroms“ erweitern und die Stadt Kleve das Gewässer zu diesem Zweck durch Verfüllung auf einer Strecke von 400 Metern beseitigen. Der Altrheinarm „Tweestrom“ stellt jedoch eine wichtige Biotopverbundachse dar, verbindet er doch das europarechtlich geschützte FFH-Gebiet „Rinderner Kolke“ mit dem Landschaftsschutzgebiet „Kermisdahl“. Ferner ist der „Tweestrom“ selbst Lebensraum einiger besonders geschützter Tierarten, insbesondere wird er von angrenzend lebenden Biberfamilien als Nahrungsrevier und Wanderkorridor zu weiteren als Lebensraum geeigneten Gewässern genutzt. Über die Einwände und Bedenken der Naturschutzverbände, die sie in ihrer Stellungnahme im Jahr 2008 vorbrachten, setzte sich der Kreis mit der wasserrechtlichen Planfeststellung für die Verfüllung hinweg. Es wurden weder die artenschutzfachlichen und –rechtlichen Aspekte, noch die wasserrechtlichen Bewirtschaftungsvorgaben, insbesondere das Verschlechterungsverbot, angemessen gewürdigt. Eine Verschlechterung des ökologischen Zustandes des Gewässers „Tweestrom“ wurde mit der Argumentation verneint, eine solche Verschlechterung sei schon deswegen nicht gegeben, weil das Gewässer selbst schlichtweg nicht mehr existiere.

Über diese Gesetz und Recht außer Acht lassende Planung ist der Kreis Kleve nun gestolpert. Am 3. August 2011 hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf den in Rede stehenden Planfeststellungsbeschluss in einer eindeutigen Entscheidung (VG Düsseldorf, Urteil vom 3.8.2011, Az. 10 K 473/09) aufgehoben. Hierbei schloss es sich in der mündlichen Verhandlung der wasserrechtlichen Argumentationslinie des Klägers an. Auf das aus Sicht der Verbände ebenfalls verletzte Artenschutzrecht kam es den Richtern in ihrer Entscheidung gar nicht mehr an. Das Gericht stellte klar, dass nach § 27 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) für oberirdische Gewässer, unabhängig davon, ob sie als künstlich oder erheblich verändert eingestuft seien, eine Verschlechterung des ökologischen Zustandes bzw. Potentials zu vermeiden sei (sog. Verschlechterungsverbot). Von diesem Verbot kann es zwar im Einzelfall unter bestimmten - in § 31 Abs. 2 WHG umrissenen – Voraussetzungen Ausnahmen geben. Unter anderem verlangt diese Vorschrift, dass die Gründe für die nachteilige Veränderung eines Gewässers von übergeordnetem öffentlichen Interesse sind. An einem solchen übergeordneten öffentlichen Interesse fehle es jedoch im Falle der Verfüllung des „Tweestroms“ nach Auffassung des Gerichts. Der Planfeststellungsbeschluss war damit rechtswidrig und wurde vom Gericht aufgehoben. Es bleibt abzuwarten, ob der Kreis Kleve Antrag auf Zulassung der Berufung stellt.

Zum Hintergrund der Entscheidung:

Die aktuelle Entscheidung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf stärkt das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot. Das Verbot ist wesentlicher Bestandsteil der wasserrechtlichen Bewirtschaftungsziele (§§ 27 ff WHG), die ihren Ursprung in der europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) haben
( Richtlinie 200/60/EG des europäischen Parlaments und des Rats vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik, Abl. Nr. L 327 vom 22.12.2000, S. 1).
Die anerkannten Naturschutzverbände in NRW setzen sich auf vielfältige Weise dafür ein, dass die Vorgaben der WRRL, einen guten ökologischen Zustand für die Fließgewässer und das Grundwasser zu erreichen – und dies bereits bis zum Jahr 2015, mit Leben gefüllt werden. Seit Jahren wirken VertreterInnen des ehrenamtlichen Naturschutzes in Arbeitskreisen und Foren zur Umsetzung der WRRL mit und thematisieren gewässerökologische Belange in Stellungnahmen zu Gewässerausbauvorhaben und –benutzungen.

Zum Mitmachen:

Wasserrahmenrichtlinie vor Ort: Die „Umsetzungsfahrpläne“ – konkrete Maßnahmen vorschlagen und diskutieren; weitere Informationen » Rundschreiben 35 des Landesbüros und über das Wassernetz NRW.

Zum Weiterlesen:

  • Hänel, S., Rebsch, S., Das Verschlechterungsverbot der europäischen Wasserrahmenrichtlinie in der Stellungnahme, » Rundschreiben 27 des Landesbüros, S. 20 ff
  • NABU NRW, » Handbuch Verbandsbeteiligung NRW, Bd. II Kapitel L Gewässerschutz
  • Ginzky, H., das Verschlechterungsverbot nach der Wasserrahmenrichtlinie, Natur und Recht 2008, 147
  • Durner, W., Zehn Jahre Wasserrahmen-Richtlinie – Bilanz und Perspektiven, Natur und Recht 2010, S. 452 ff